Herr Rüttinger hat in seiner Jugend Mopeds frisiert. Jetzt hilft er straffälligen Jugendlichen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Seit 22 Jahren ist er „im Geschäft“.
Sympathisch, witzig, aufgeschlossen, im Hawaii-Hemd steht er, eingeladen von Frau Joos, vor den Auszubildenden der 2ÖJ und 3ÖJ und erzählt, gespickt mit vielen Beispielen, von seiner Arbeit.
Oft bezieht er die Auszubildenden mit ein und lässt den einen oder anderen auch gleich mal zur Show zum Straftäter werden, um seinen Job anschaulicher zu erklären.
Alle möglichen Straftaten hat er schon mit seinen jugendlichen Straftätern erlebt: Ladendiebstahl, Betrug (z.B. Internetgeschäfte), Prügeleien, Drogen, Graffitis, Sexualdelikte sind nur einige von ihnen. Der Maßnahmenkatalog ist ebenfalls endlos: Arbeitsstunden, Anti-Gewalt-Training, Verkehrserziehungskurse, Anti-Drogen-Programme und, und, und…
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Er sieht sich selbst als „wohlwollend neutral“. So zum Beispiel hält er nicht viel von Strafbefehlen und ist äußerst skeptisch gegenüber der Sinnhaftigkeit von Gefängnisstrafen für Jugendliche. Herr Rüttinger führt aus, dass Strafbefehle zum Beispiel die Zukunft eines jungen Menschen komplett verbauen können. Er erzählt von einer jungen Straftäterin, die wegen kleineren Delikten zwei Strafbefehle bekam und später – geläutert – nach ihrem Lehramtsstudium merkte, dass sie mit dieser Vorstrafe nicht als Lehrer im öffentlichen Dienst arbeiten kann.
Herr Rüttinger fragt die Auszubildenden: „Wer glaubt, dass Jugendliche im Gefängnis besser werden?“ Niemand meldet sich. So sieht er es auch. „Manchmal geht es nicht anders. Da muss man die Gesellschaft vor dem jungen Menschen schützen und die jungen Menschen vor sich selbst. Aber besser kommt da kaum einer raus.“ Er weiß, wovon er spricht, denn oft besucht er seine Schützlinge im Gefängnis. Er hat unter anderem die JVA Adelsheim (für männliche Jugendliche) und Schwäbisch-Gmünd (für die weiblichen Gefangenen) von innen gesehen. Die Geschichten von Adelsheim klingen extrem: von Zwangstätowierungen und Zigarettenzwangszahlungen an die Zellenblockchefs ist die Rede. Aber auch Positives weiß Herr Rüttinger zu berichten. So können die Jugendlichen im Gefängnis eine Ausbildung beginnen, Kurse besuchen und sich dabei vielleicht ein neues Leben aufbauen.
Und ob er den Eindruck habe, es gäbe immer mehr jugendliche Straftäter? Herr Rüttinger kann nicht zustimmen. Er meint, dass die „Alten“ schon immer über die Jugend geschimpft hätten, heut wie auch schon vor 2000 Jahren. Aber er ist felsenfest überzeugt: „Die Jugend von heute ist nicht schlecht. Ihr seid angepasster denn je.“
Die Jugendgerichtshilfe ist ein wichtiger „Player“ in einem Jugendstrafprozess. Wird gegen einen Jugendlichen (14-18 Jahre) oder Heranwachsenden (18-21 Jahre) Anzeige bei der Polizei erstattet, wird die Jugendgerichtshilfe eingeschaltet. Die Jugendgerichtshilfe sucht das Gespräch mit den Jugendlichen und wenn möglich, mit deren Eltern. In der Gerichtsverhandlung hat das Wort der Jugendgerichtshilfe Gewicht, da sie eine Empfehlung ausspricht, wie mit dem Beschuldigten weiter verfahren werden sollte.
Artikel: Frau Vogel