– von Tobias Kärner –
Als ich vor mittlerweile gut 20 Jahren die Fachoberschule in Bayern zumindest nach dem zweiten Anlauf halbwegs erfolgreich abschloss, konnte ich noch nicht ahnen, dass ich später selbst an einer (Hoch-)Schule lehren und forschen würde. Das war damals alles sehr „weit weg“ für mich, dem der Zugang zu Themen und Lerninhalten anfangs leichter über das konkrete Handeln und Erfahren fiel, als es in einem Buch nachzulesen.
20 Studiensemester nach meinem Fachoberschulabschluss und diverse Prüfungen später finde ich mich heute als Professor in einer Institution wider, die als Hort „der Theorie“ und deren Entwicklung gilt, die Universität. Zunächst in Bamberg, anschließend in Konstanz und aktuell in Hohenheim bin ich für die Ausbildung angehender Wirtschaftspädagog:innen zuständig. Da ich selbst kein Referendariat für das Lehramt an beruflichen Schulen absolviert habe, hole ich seit Oktober 2021 meine schulische Praxiserfahrung an der Wessenberg-Schule Konstanz nach. Den Weg zurück (oder doch eher nach vorne?) an die Schule erlebte ich als sehr interessant und lehrreich, gerade auch deshalb, da einem die lange Zeit an der Universität eben auch ein Stück weit den Blick auf andere Praxen (manche würden vielleicht sogar sagen „dem Leben da draußen“ im Allgemeinen) etwas vernebeln kann, wenn man nicht aufpasst. Mein Gefühl für die Schule und die Menschen dort erlangte ich durch eine Vielzahl an Eindrücken aus meinen Praktikum und Gesprächen mit Schüler:innen und Lehrer:innen wieder zurück, alleine deshalb hat sich die Zeit an der Wessenberg-Schule in jedem Fall gelohnt. Im Rahmen meiner schulpraktischen Erfahrungen erhielt ich Einblicke in unterschiedliche Fächer und Ausbildungsgänge, wie beispielsweise dem VWL- und BWL-Unterricht am Wirtschaftsgymnasium, dem Informatikunterricht in der Eingangsklasse zum Wirtschaftsgymnasium, der Berufsfachschule und dem Berufskolleg, dem Unterricht bei Verwaltungsfachangestellten oder bei Kaufleuten im Einzelhandel. Aus unterrichtsmethodischen Gesichtspunkten erhielt ich vielfältige Einblicke in verschiedene Formen und Umsetzungen, wie beispielsweise der Wochenplanarbeit, Unterrichtsexperimenten, fragend-entwickelndem Unterricht oder der Projektarbeit.
Theorie ist nichts anderes als nachgängig begründetes Reden, Schreiben und vor allem Nachdenken über Praxis und hier finden wir nicht die eine, vielmehr haben sämtliche Erfahrungsräume und Anwendungskontexte ihre je eigenen, teils ähnlichen, teils unterschiedlichen Praxen – und das ist in der universitären nicht anders als in der schulischen Praxis, die beide jeweils voneinander profitieren und lernen können. Was vermutlich einen Großteil der in unterschiedlichen pädagogischen Bereichen tätigen Personen eint, ist – wie es mein Doktorvater Detlef Sembill schreibt – das pädagogische Bemühen, Individuen dabei behilflich zu sein, ihren Platz und ihre Identität in einer im normativen wie technischen Sinne veränderungsfähigen und daher gestaltungsfähigen Gesellschaft zu suchen und zu finden. Und das ist zumindest für mich persönlich ein zentraler gemeinsamer Kern unserer verschiedenen Kontexte und Arbeitsfelder.
Mein Dank, diese Erfahrungen wieder von Neuem machen zu dürfen, gilt Herrn Pohlmann-Strakhof, der mir die Einblicke in die Wessenberg-Schule ermöglicht hat, sowie Joachim Dietrich und Jasmin Dietrich, die mein Mentorat übernommen haben. Herzlichen Dank nicht zuletzt an das nette und offene Kollegium und die interessanten Gespräche im Lehrerzimmer sowie an die Schüler:innen, in deren Unterricht ich hospitieren und auch selbst mal eine Stunde halten durfte. Ich wünsche alldenjenigen, welche im Jahr 2022 ihren Abschluss gemacht haben, aber auch denjenigen, welche diesen Schritt noch vor sich haben, alles Gute – bleiben Sie neugierig und offen für das, was auf Sie zukommt, gehen Sie weiter, auch wenn es manchmal etwas zäh und anstrengend ist, gestalten Sie Ihre berufliche Zukunft nach dem, was Sie interessiert und was Ihnen persönlich wichtig ist!